das wahre leben | 3

stille überall.
draußen vor den fenstern der wohnung regiert die dunkelheit –
und auch in der wohnung ist es finstere nacht.

sie konnte nicht anders, sie konnte den dunklen balkon nicht verlassen, kein licht in der wohnung anmachen –
denn in ihr ist es schwarz, kalt, kein licht.strahl erhellt die dunkelheit ihrer gefühle, sie fühlt sich grau und immer grauer, mit jeder minute, die verstreicht, mit jeder minute, in der sie denkt, denken muss … und es doch nicht will. Weiterlesen

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das wahre leben | 2

die haus.arbeit ruft.
staub.saugen, wäsche.waschen, fenster.putzen – das übliche eben.
niemand macht es gern, jeder muss es tun.
wert.erhalt, nennt es ihre mutter – damit man auch später noch was hat von der wohnung.
nervig – nennt sie es, auch wenn man später noch was hat von der wohnung.
also sucht sie miss.mutig lappen und eimer, schnappt sich eine zeitung (für die fenster, alter trick ihrer oma) und das allzweck.putzmittel –
und legt los. Weiterlesen

das wahre leben | 1

früh.morgens.
ein leiser, zwitschernder ton kommt vom nacht.kästchen.
war über nacht das fenster offen? hat sich etwa ein vogel ins schlaf.zimmer verirrt?
zusammengekniffene augen, tastende finger, ein leises fluchen –
wo ist das verdammte handy?

dann –
ein druck auf eine taste, das telefon verstummt, sie schließt ihre augen.
ruhe kehrt wieder ein im schlaf.zimmer.
aber nur äußerlich –
innerlich ist sie wach, kann nicht mehr schlafen, eine unruhe hat sie gepackt, die sie nicht mehr loslässt, diese eine un.ruhe, voller angst, etwas zu versäumen.
warum hat das telefon geläutet, es muss etwas passiert sein, irgendwo auf der welt, wie soll sie bitte.schön weiterschlafen, wenn sie nicht weiß, was los ist, sie will ja immer auf dem neuesten stand sein, nachrichten zu lesen ist doch so wichtig, sagt ihre oma immer, aber doch nicht morgens um 5:42, oder?, doch, gerade dann, ihr schönheits.schlaf kann warten, immer auf dem neuesten stand zu sein jedoch kann nicht warten.
genervt öffnet sie wieder die augen.
dreht sich langsam auf den rücken, nimmt das smart.phone in die hand, macht ohne hinzusehen ein paar geübte wisch.bewegungen und öffnet eine app.
das blaue vögelchen des kurz.nachrichten.dienstes empfängt sie, mit einem leisen zwitschern werden die neuesten informationen aus der welt jenseits ihres schlaf.zimmers geladen.
@itsme9876 war heute schon auf der toilette, @deralltagskotzer012 könnte schon wieder kotzen, @1koffeinsüchtigefrau trinkt kaffee (nicht ihren ersten heute), und der @mannamabgrund123xy mag noch immer keine assilanten.
gut zu wissen, einerseits, und kaffee würde ihr jetzt auch schmecken, andererseits.

was gibt es sonst noch neues? das lässt ihr keine ruhe.
ein schneller klick auf das blaue f, schon taucht sie ein in die welt der neuigkeiten.
freundin j macht ihre kinder gerade bereit für den kinder.garten, nachbar w konnte heute nacht nicht schlafen (lag wohl an den intergalaktischen schwingungen, die sein alpha.zentauri.bruder.im.geiste ihm sandte), die bekannte aus dem bauch.tanz.kurs hat schnupfen und nimmt deshalb in dreizehn.minütigen abständen je sieben globuli (die neuesten am markt, muss man einfach haben), und ihre ex war wohl wieder auf einer wilden party – na, die hat’s wohl nötig.

ein kurzer anflug von melancholie ergreift sie, weht längst verdrängte erinnerungen vor sich her wie vergilbten staub und legt sich so schnell, wie er gekommen ist, wieder über ihre noch müden gedanken.
lieber aufstehen. kaffee trinken.
wie ist denn heute das wetter eigentlich? reicht zum aufstehen der dünne morgen.mantel?
einmal wischen, einmal klicken, die wetter.app geht auf.
offenbar ist es heute kalt, höchstens fünf grad, mit verdacht auf schneefall in der nacht.
mist.
auch das noch.
dann doch lieber liegen bleiben.

schnell noch eine message an die welt da draußen:
@zwitscherhännä müde bin ich geh zur ruh #schonwieder

könnt ja jemanden interessieren, was sie so macht –
um 5:57.

***

(weiter.lesen.)