Zusammengepfercht in zwei Glasvitrinen stehen meine Elefanten, etwa sechzig an der Zahl.
Zusammengetragen, gekauft, auch geschenkt bekommen, beginnend im Jahre 1972 bis vorläufig zum Jahre 2012. Sie stammen aus Ländern, in denen tatsächlich Elefanten leben, aber auch aus solchen, wo diese klugen und sozialen Riesen besten- bzw. schlechtestenfalls im Zoo vorkommen.
Sie sind winzig, klein und größer, sie sind aus Holz, aus Glas, aus Porzellan, aus Pappmache, aus Messing, aus Ton, aus Plüsch, hängen auf Seide abgebildet als Bild an der Wand, stehen als Blumenständer am Boden.
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© Silberfüchsin
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Alle eint die Ausstrahlung und das Gefühl von Ruhe, Kraft und Stärke, und alle sind ein Symbol des Glücks.
Man sagt auch, Elefanten sollen mit dem Rüssel nach oben in Richtung zur Tür herein aufgestellt sein, also das Glück sozusagen hereintragen.
Meine Geschichte der Elefanten, meines Lieblingstieres neben meiner realen geliebten Stubentigerin, beginnt vor mehr als 45 Jahren auf einer Reise nach Israel.
Es war 17 Uhr 30, als der Transferbus mit unserer Reisegruppe vor dem Hotel in Tiberias hielt, schnell waren die Zimmer bezogen, und noch schneller das Haus wieder verlassen. Die Straße und das gesamte Gelände, das ich in der Folge beschritt, führte etwas abschüssig zum See Genezareth hinab. Das war alles, was ich sechs Stunden später noch wusste. Leider zu wenig, um den richtigen Rückweg in der längst finsteren Nacht wieder zu finden. Im jugendlichen Leichtsinn ließ ich mich zu diesem Ausgang überreden. Weder ich noch der mir bis dahin kaum bekannte Begleiter hatten sich Name und Straße unserer Unterkunft gemerkt. Das sollte mir nie mehr in meinem Leben passieren. Nach bangen Stunden und sehr freundlichen Taxifahrern hat sich nach langem Herumirren in einem scheinbaren Labyrinth weit nach Mitternacht das Hotel wiedergefunden.
Vieles hat mir in Israel gefallen, nicht nur das Frühstück im Kibbuz mit dem frisch gepressten Orangensaft aus Orangen von den Bäumen gleich daneben, mich hat beeindruckt, was der intelligente Mensch in und aus der Wüste alles machen kann und wie lebendig und vorstellbar die Bibelgeschichte plötzlich wurde.
Teilweise beängstigend war das an jedem Straßeneck präsente Militär.
Am Strand von Tel Aviv ist mir noch Udo Jürgens in die Quere gekommen, dort schlendernd mit einem Mädchen, wohl keine siebzehn Jahr.

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Und immer, wenn ich meine beiden schwarzen Elefanten aus Ebenholz sehe, die mit mir neben zwei Keramikbildern von Felsendom und Klagemauer und einer Menora aus Messing die Heimreise angetreten haben, kommt mir bei Israel diese Anekdote mit der Herbergssuche und den daraus resultierenden Fingerzeig für mein späteres Leben in den Sinn:
„Vergiss in einer fremden Stadt nie die Adresse deiner Unterkunft“.
“Jede Sekunde wird ein Kind geboren“, so lautete ein Satz in meinem Film, den ich 1976 über diese Reise gemacht hatte, damals waren es 650 Millionen, heute sind es 1,4 Milliarden Einwohner. Die Rede ist von Indien, der volkreichsten Demokratie der Welt. Ein faszinierendes Land, in dem Licht und Schatten eng beieinanderliegen. Die bunte Farbenpracht der Kleidung, Menschen mit freundlichen Gesichtern, die in Morast und bitterer Armut hausen. Prunkvolle Maharadscha-Palästen und daneben Menschen, die kein anderes Zuhause als die dreckige Straße kennen.
Der Film „Slumdog Millionär“ hat nicht überzeichnet.
Eine der größten Persönlichkeiten der Weltgeschichte, Mahatma Gandhi, dessen Leben im gleichnamigen Film achtfach Oscarprämiert wurde, hat maßgeblich zur Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialherrschaft im Jahre 1947 beigetragen. An der Parade zu diesem Andenken, die jedes Jahr am 26. Jänner in Neu-Delhi abgehalten wird, war ich Zaungast. Heute zählt Indien zu den größten Volkswirtschaften der Welt, ist ganz vorne am IT-Sektor und in EDV-Dienstleistungen – es ist leicht möglich, dass ein vermeintlicher Anruf in Düsseldorf in Wirklichkeit in Bangalore ankommt, an der Sprachfärbung ist kein Unterschied zu erkennen. Bedeutungsvoll ist die Pharmaindustrie und die Filmproduktion im sogenannten Bollywood in Mumbai, das bis 1996 Bombay hieß. Und andererseits ist der katastrophale gesellschaftliche Rückstand in Sachen Gleichbehandlung der Frau und deren Rechte allgegenwärtig. Kontraste überall.
Nie zuvor in meinem Leben hatte ich ein so schönes Bauwerk wie das Taj Mahal in Agra gesehen – weißer Marmor, eingelegte Edelsteine, und es ist ein Grabmal. Nie zuvor und auch nicht danach hatte ich so scharf und so preiswert gegessen.
Zum ersten Mal sah ich auch richtige Elefanten. Ja, ich bestieg sogar einen, besser gesagt, ich wurde auf eine Art hölzernes Podest hinaufgehoben, um auf dem Rücken eines solchen Giganten die Festungsanlage Amber Fort in Jaipur zu erreichen. Damals machte man sich noch wenig Gedanken, ob diese Transportart auch tierfreundlich war. Ein wackeliges und heiteres Erlebnis war es allemal.

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Drei Elefanten haben mit mir die Heimreise angetreten. Einer aus dunkelbraunem Holz mit fein eingeschnitzter Decke, einer aus elfenbeinfarbigem Stein, und einer aus kleinen Holzstäbchen geformt, allesamt behutsam eingewickelt in zweimal sechs Meter Seide, soviel Stoff braucht es für zwei Saris. Die spezielle Wickeltechnik habe ich inzwischen mangels Anwendung längst vergessen. Dank YouTube dürfte es kein Problem sein, diese wieder zu erlernen. Die kleinen Riesen erinnern mich immer gerne an diese ganz andere Welt, im Wechselspiel zwischen Farbenrausch, bitterer Armut und technologischem Fortschritt.
Ein rosarotes Kerlchen, nicht größer als sechs Zentimeter, ist mein Elefant aus Portugal, den ich neben dem Torre de Belem am Mündungstrichter des Tejo, zusammen mit dem Hahn von Barcelos, ein Sinnbild für Gerechtigkeit, heimgebracht habe.

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Besonders erinnert mich dieses Tierchen aber an die Anekdote, als ich für den berühmten Aufzug in Lissabon, der die Stadtteile Baixa und Chiado verbindet, ein Ticket gelöst hatte. Nicht weiter aufregend, ich zahlte meiner Meinung nach nicht viel, aber auch nicht wenig Escudos, Portugal war noch nicht in der EU. Als ich allerdings zu Hause mir diesen Fahrausweis nochmals näher ansah, bemerkte ich, dass sich die Gültigkeit auf ein Jahr erstreckte. Schade, dass ich den Ausblick auf diese wunderbare Stadt auf Hügeln vom 45 hohen Elevador de Santa Justa aus nur einmal genossen habe.
Mein erster Aufenthalt in Marokko im Jahre 1986 war eine Rundreise zu den vier Königsstädten. Eine davon war Marrakesch. Die ehemalige Hauptstadt am Rande des Atlas mit ihren einheitlich orange-rot-färbigen Häusern inmitten vieler Gärten ist gewiss ein Höhepunkt jeder Reise in dieses nordwestafrikanische Land. Zentraler Mittelpunkt in Marrakesch ist die Dschemaa el Fna , das ist der Platz, wo sich alles abspielt, ein riesiger Basar und Markplatz, auf dem sich Gaukler, Märchenerzähler und Schlangenbeschwörer tummeln, und dort habe ich Mohammed getroffen. Ein Junge im Alter von sieben, acht, neun Jahren, der einen Bauchladen mit Schminkprodukten vor sich hertrug und mir diese andrehen wollte. Mit seinem Spruch „Madame, bitte kaufen Sie“ verfolgte er mich auf Schritt und Tritt. Ich wollte ihn fotografieren und filmen, doch er war schon ein richtiger Geschäftsmann und verlangte dafür Bares. Darüber war ich belustigt und erstaunt gleichermaßen, ich habe den Deal abgelehnt und musste auch weiter, der Bus unserer Gruppe wartete schon. Das Aussehen und die Art dieses Bengels ließen mich nicht los, und ich ärgerte mich über mein Verhalten. Am Nachmittag hatte unsere Reisegruppe freie Zeit und ich besuchte nochmals diesen riesigen Markt, und wen treffe ich dort? – Mohammed. Sofort gab es im Austausch von ihm das Ok zu Fotos und von mir reichlich Dirhams.
Am liebsten hätte ich dieses entzückende Kind mit seinem unschuldigen Blick nach Salzburg mitgenommen.

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Zwei niedliche kleine Elefanten, einer bunt bemalt, die ich auf der Dschemaa el Fna erstanden habe, erinnern mich noch heute an Mohammed, die Fotos von ihm habe ich oft angesehen. Diese Begegnung hatte aber eine noch viel weitergehende Bedeutung und Folge für mich: Von da an hat sich der Wunsch in mir gefestigt, einmal Mutter eines solchen Kindes zu sein. Und fünf Jahre später ist dieser Wunschtraum für mich in Erfüllung gegangen. 1991 wurde mein Sohn geboren, wohl die größte Freude und das größte Geschenk meines Lebens.

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Der größte Elefant in meiner Herde ist 40 Zentimeter hoch und 60 Zentimeter lang, aus weißem Ton mit blauer Verzierung, wiegt nicht wenig, ist richtig standfest und begleitet mich schon seit ewigen Zeiten.
Er ist ein Blumentopf-Elefant, das heißt auf seinem Rücken befindet sich eine Stellfläche. Kleinere Wehwehchen gab es immer wieder, die gut mit Klebstoff beseitigt werden konnten.

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Winzig klein hingegen mit einer Länge von etwa zwei Zentimetern ist mein Glaselefant aus der berühmten Manufaktur in Wattens. Er thront auf dem Kopiergerät, neben einem Troll aus Schweden. Als mein Sohn klein war, hatte es ihm mein Zoo auch angetan. Unzählige Male musste ich Stoßzähne diverser Elefanten an- und zusammenkleben.
Sieben Sommerurlaubselefanten stehen in vertrauter Runde zusammen und erinnern mich unter anderem daran, wie ich in Santorin nach einem Ritt auf einem Esel bergab in meinen Handtellern blutete und wunde Stellen hatte, weil am Haltegriff des Zaums die Polsterung nicht mehr vorhanden war und das blanke Eisen scheuerte, wie auf Zakynthos eine Freundin dem vom Wind weggeblasenen Plastikhai meines Sohnes nachgeschwommen ist und ihr dabei die Kräfte ausgingen und sie mit wieder gefangenem Hai von einem anderen Boot gerettet werden musste, wie ich auf Zypern meinen Sohn unter Wasser verschwinden sah und mir nur eines dachte: „Hätte ich ihn doch nicht zu diesem Tauchkurs angemeldet“ –

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oder wie wir in der Ruinenstadt Petra in Jordanien, am Knotenpunkt der ehemaligen Weihrauchstraße, durch die schroffe 70 Meter hohe Felsschlucht aus rosafarbenem Sandstein wanderten und über das in der Antike von den Nabatäern errichtete Wasserversorgungssystem erstaunt waren, aber auch an die mehrmaligen Aufenthalte in Ägypten am Roten Meer, wo man anfangs den Augen kaum traut, welche farbenprächtigen Fische um die Beine streichen und zu ständigen Begleitern werden.

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2010 war ich beim Karneval in Rio de Janeiro. Was soll man sagen: Die Parade der besten Sambaschulen im Sambodrom gehört wohl zu den größten und farbenfrohsten Festen weltweit und bleibt ein unvergessliches Ereignis. Elefanten gibt es aber auch an der Copacabana, ein kleiner brauner hölzerner Dickhäuter befand sich in meinem Reisegepäck.
In Bella Italia bewegte ich mich im Jahre 2012 auf den Spuren der Mafia, ohne natürlich auch nur ansatzweise mit der „ehrenwerten Gesellschaft“ etwas am Hut zu haben. Ein findiges Angebot für Sizilien-Reisende trägt diesen Titel. Und ich erinnerte mich gut daran, dass zu Beginn meiner Berufstätigkeit in den 1970iger Jahren Buch und Film von „Der Pate“ ein großes Thema gewesen sind. Und genau zu all den Drehorten des Filmes führte diese Reise im Cinquecento-Konvoi, richtig cool im kleinen Flitzer am Steuer zu sitzen und durch Sizilien zu kurven. Beginnend im zauberhaften Bergdorf Savoca, wo in der berühmten Bar Vitelli Al Pacino alias Michael Corleone seiner Apollonia den Heiratsantrag gemacht hat, bis nach Fiumefreddo di Sicilia zum Castello Degli Schiavi. Hier stand und steht das Haus des Film-Paten. Dort vor dem Schloss wurde ein wahrhaft fürstliches Diner gegeben, begleitet von Schauspielern, im Aussehen den seinerzeitigen Akteuren nicht unähnlich, und diese spielten Teile des Films nach, und am Ende explodiert tatsächlich das Auto, in dem Apollonia saß.

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Mein Quartier hatte ich im bezaubernden Taormina, und bei einem abendlichen Spaziergang hatte ich nicht nur ein herrliches Pastagewürz gekauft, angelacht hat mich auch ein edler Elefant aus Porzellan, der seither Mitglied meiner Elefantenfamilie ist.
Meine bislang letzten Elefanten stammen aus Namibia, von dort, wo die Dickhäuter auch richtig zu Hause sind. Auf einer Safari im Etosha-Nationalpark habe ich einige dieser beeindruckenden Tiere hautnah gesehen, ihre Ausstrahlung ist unbeschreiblich.

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Meine Elefantensammlung erfuhr nach dieser Reise auch eine Erweiterung um die Big Five, das heißt neben einem Elefanten gesellte sich ein Nashorn, ein Büffel, ein Löwe und ein Leopard, ja sogar eine Giraffe als sechste dazu.
Für mich etwas ganz Besonderes ist aber ein zusätzlicher kleiner Elefant aus Holz, zwölf cm lang, acht Zentimeter hoch, der auf einem Podest thront, auf dem mein Name als Gewinnerin eines Leistungsbewerbs eingetragen ist. Die Finder dieser Idee wussten natürlich nicht, dass Elefanten meine Lieblingstiere sind. Für mich war es umso stimmiger.
Ja, ich habe diese großartige Reise zum Ende meiner Berufskarriere erhalten, bekommen für eine wenig geliebte Tätigkeit, die ich dennoch verantwortungsvoll und engagiert viele Jahre hindurch sehr erfolgreich erledigt habe.

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Dieser kleine Elefant steht für mich auch sinnbildlich dafür, nicht aufzugeben, zu kämpfen, Verantwortung tragen, positiv an Aufgaben heranzugehen, auch wenn die Umstände oft mehr als schwierig sind. Der Elefant ist und bleibt ein und mein Glückssymbol.
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Eine kurze Lebens-Reise-Geschichte von „Silberfüchsin“
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Dieser Text entstand in der Schreibwerkstatt 2019.
Danke dafür!
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