bade.wanne. (12)

das wasser war überall.
ebenso die dunkelheit.
und die kälte.

am schlimmsten aber war die vollkommene orientierungslosigkeit, das völlige fehlen von gestern und heute.
an das kalte wasser hatte ich mich schon gewöhnt, gezwungenermaßen, auch an das gefühl, meine haut wäre ein alter waschlappen, der sich langsam ablöst und zersetzt.

doch die ungewissheit, wann diese klappe wieder geöffnet werden würde, wann ich endlich den lichtstrahl wieder erkennen konnte, der mich blendete, den ich aber versuche festzuhalten in meiner erinnerung – diese ungewissheit machte mich verrückt.

bloß nicht loslassen, halt es fest!
schrie mein herz, denn es konnte eine kleine ewigkeit vergehen, bevor der lichtstrahl erneut hoffnung auf ein ende meiner qual machte.
hoffen, warten, sekunden zählen –
oder zählte ich schon stunden?
vielleicht tage?

manchmal zitterte ich noch, aber nur ein wenig, denn zuviel zittern ließ das wasser wellen schlagen, ganz kleine nur, doch das geräusch der sich brechenden wellen hallte so lange nach, als wollte es nie wieder aufhören.

und die stille war wichtig, die stille durfte ich nicht durchbrechen, ich musste doch auf die schritte hören, ich durfte sie nicht verpassen!
diese schritte, die kurzes licht brachten, auch kleine speisen, naschereien manchmal, und ganz selten einen schluck selbstgemachten eistee – und die dann wieder verhallten, bis ich sie nur noch in der erinnerung hörte, während ich wieder versuchte, das wasser, die kälte und die dunkelheit zu vergessen, und an schönere tage dachte, an denen ich mir den eistee noch selber eingeschenkt hatte.

***

(ende)

***
*
***

wie alles begann:

bade.wanne. (1)

das wasser ist überall.
ebenso die dunkelheit.
und die kälte.

am schlimmsten aber ist die vollkommene orientierungslosigkeit, das völlige fehlen von gestern und heute.
an das kalte wasser habe ich mich schon gewöhnt, gezwungenermaßen, auch an das gefühl, meine haut wäre ein alter waschlappen, der sich langsam ablöst und zersetzt.

doch die ungewissheit, wann diese klappe wieder geöffnet wird, wann ich endlich den lichtstrahl wieder erkennen kann, der mich blendet, den ich aber versuche festzuhalten in meiner erinnerung – diese ungewissheit macht mich verrückt.

bloß nicht loslassen, halt es fest!
schreit mein herz, denn es kann eine kleine ewigkeit vergehen, bevor der lichtstrahl erneut hoffnung auf ein ende meiner qual macht.
hoffen, warten, sekunden zählen –
oder zähle ich schon stunden?
vielleicht tage?

manchmal zittere ich noch, aber nur ein wenig, denn zuviel zittern lässt das wasser wellen schlagen, ganz kleine nur, doch das geräusch der sich brechenden wellen hallt so lange nach, als wolle es nie wieder aufhören.

und die stille ist wichtig, die stille darf ich nicht durchbrechen, ich muss doch auf die schritte hören, ich darf sie nicht verpassen!
diese schritte, die kurzes licht bringen, auch kleine speisen, naschereien manchmal, und ganz selten einen schluck selbstgemachten eistee – und die dann wieder verhallen, bis ich sie nur noch in der erinnerung höre, während ich wieder versuche, das wasser, die kälte und die dunkelheit zu vergessen, und an schönere tage denke, an denen ich mir den eistee noch selber hatte einschenken können.

***

(weiter.lesen.)

Werbung

bade.wanne. (10)

schritte.
schnelle schritte.
sie laufen vor mir davon.

und wo sind meine wellen?

ich kann meine wellen nicht mehr hören, sie reden nicht mehr mit mir, habe ich etwas falsch gemacht? ich liege immer still hier, ich bewege mich nie, ich schreie nie, ich berühre auch nie die klappe, den deckel, ich fasse ihn nicht an, dann ist es vielleicht nicht wahr, vielleicht ist der deckel dann nicht da, ich habe nur einmal an den deckel gefasst, nur einmal, er ist so hart, ganz hart ist er, und kalt, ich habe mir einen schiefer eingezogen, ich glaube, es hat sich entzündet, es tut so weh, das wasser ist so schmutzig und es hat die wunde entzündet, ich kann es nicht sehen, aber ich kann es riechen, ich rieche den eiter, der aus der wunde fließt, er vermischt sich mit dem wasser, und ich habe so großen durst.

was sagst du?
ja, ich bin einsam, natürlich bin ich einsam, ich bin allein, ganz allein hier, ich bin so allein, allein mit dem deckel und dem wasser und dem eiter und ich werde nie wieder den deckel anfassen, das verspreche ich dir!
werde ich denn überhaupt noch einmal irgendetwas anfassen, was meinst du? etwas anderes als das wasser und den deckel?

nein, du hast recht, den deckel greif ich nicht mehr an, ich glaube, der deckel, er ist ich, ich bin der deckel, ich drücke mich selbst immer weiter hinunter, ich bin schuld, ohja, ich bin einfach nur selber schuld, du hast so recht!
ich bin ein dämliches miststück, wie du es mir gesagt hast, immer und immer wieder, ein dämliches miststück, das sich selbst hinunter drückt, ganz tief hinein in das wasser, das schmutzige wasser, wasser ohne fische, little fish, big fish, swimming in the water, es gibt keine fische hier, nein, schon lange nicht mehr, und es gibt keine tochter, oder?
du hast gesagt, ich habe eine, aber ich habe keine tochter, verdammt, das würde ich doch wissen, sowas vergisst man doch nicht, und trotzdem habe ich es vergessen, ich weiß nicht, was habe ich, habe ich mehr als das hier?

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (9)

salz fühlen, es macht eine kruste auf meiner haut, lässt sie angespannt sein, wie lange durfte meine haut nicht mehr angespannt sein, das salz tut meiner haut so gut, sie ist wieder voller leben, ich spüre sie, wie konnte ich nur vergessen, wie sich meine eigene haut anfühlt, das gefühl umfasst zu werden, zusammengehalten, beschützt, er hat mich errettet, er hat die klappe geöffnet, mich herausgehoben und hin zum meer getragen, die sonne blendet mich, ich muss meine augen schließen, damit ich die sonne fühle, damit mich die sonne nicht blendet, mit geschlossenen augen kann ich das salz besser fühlen, ich fühle es, ich höre das lied der möwen, sie singen für mich, I lost my heart under the bridge, ich spüre die wellen, ich bin endlich befreit, der himmel scheint heute so nah, doch er drückt mich ein wenig hinunter, er scheint näher zu kommen, dem himmel so nah, es ist wunderbar, ich möchte den himmel berühren, die wolken liebkosen, ich stoße an, verdammt, ich kann mir doch nicht am himmel den kopf anstoßen, das kann doch gar nicht sein, nein, das darf nicht sein, nicht sein, bitte, nicht sein, nicht sein, so will ich nicht sein!

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (5)

that blue eyed girl, she said ’no more‘, that blue eyed girl became blue eyed whore, down by the water I took her hand, just like my daughter, I’ll see her again, wann werde ich meine tochter wiedersehen, wo ist meine tochter, was macht sie, hat sie denn auch einen namen?

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (4)

ich glaube, in der nacht waren die schritte wieder da, das wasser ist viel wärmer, es fühlt sich nicht mehr so eisig an, es ist warm, ich fühle die wärme, ich fühle wieder meinen rechten kleinen zeh, den linken auch, und ich kann meine finger wieder bewegen, aber mein hintern tut weh, ich kann ihn nicht mehr fühlen, habe ich überhaupt noch einen hintern oder ist der schon abgefallen, weggeschwemmt, ich liege schon so lange auf meinem hintern, ich könnte mich auch auf den bauch drehen, aber dann schwappt wieder wasser in meinen mund, ich hasse dieses wasser, es stinkt und ich werde mich dann übergeben müssen und dann wird das wasser immer ekelhafter und ich muss mich immer öfter übergeben, nein, ich bleibe am rücken liegen und denke an die klappe und fühle die neue wärme, I lost my heart under the bridge to that little girl, so much to me, ich werde singen, ganz laut, ich werde vergessen, dass das wasser stinkt, and now I moan, and now I holler, she´ll never know, just what I found, vielleicht finde ich auch ein kleines mädchen, vielleicht kann ich einmal noch eine brücke sehen, vielleicht kommt der eistee wieder, pfirsicheistee mit ingwer, bitte pfirsicheistee mit ingwer, und vielleicht auch frische luft, das wasser stinkt so, ich darf nicht daran denken, was ich mit dem wasser mache, machen muss, wann war ich das letzte mal auf einer richtigen toilette, ich kann mich nicht mehr erinnern, wie sich so eine toilette anfühlt, verdammt, ich will auf ein klo!, ich will endlich wieder auf ein klo, ein richtiges klo, ich will mich auf eine klobrille setzen und mich von aller last befreien, ich will endlich wieder pfirsicheistee trinken, und ich will licht und sonne und sauberes wasser und ich muss jetzt ein bisschen schlafen, nicht aufregen, nicht aufregen, das wasser schwappt sonst über und dann kommen die schritte und dann gibt es keinen eistee und kein licht, dann gibt es nie mehr –

nicht aufregen.
nicht aufregen jetzt, ich darf das wasser nicht verschütten, sonst klingen die schritte böse, so böse, ich muss endlich einschlafen und mich beruhigen.

einatmen!
ausatmen.
einatmen!
ausatmen.

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (3)

so kalt.

das wasser ist so kalt, ich fühl mich erfroren, in einen eisblock eingefroren, ich bin ein eisklumpen und treibe auf dem meer, ich kann mich nicht bewegen,

VERDAMMT, ICH KANN MICH NICHT BEWEGEN!

ich muss raus hier, endlich raus, ich kann es einfach nicht mehr ertragen, das wasser und die dunkelheit und die kälte und den geruch, der geruch ist es, was ich am meisten verabscheue, ich hasse den geruch hier, ich will das wasser gar nicht sehen, es sieht furchtbar aus, ich kann das wasser hier auch gar nicht sehen, es ist so dunkel, kein licht dringt herein zu mir, da muss ich das wasser nicht ansehen, sind da wieder die schritte?

bitte bitte bitte, lieber gott, lass da schritte sein, bitte, lieber gott, mach, dass die klappe kurz aufgeht, nur kurz, ich brauche frische luft, ich will einatmen, durch die nase einatmen, ich habe hunger, ich habe durst, verdammt, ich habe so großen durst, bald trinke ich einen schluck wasser, das wasser ist so ekelhaft, es stinkt, aber ich habe durst, ich kann nicht mehr, ich muss trinken, trinken, bevor ich ertrinke, aber nein, da waren keine schritte, ich bin allein, immer noch allein, ich muss trinken, mein hals tut so weh, bitte, bitte, nur einen schluck wasser, einmal, da kam eistee durch die klappe, der war selbst gemacht, so lecker war der, mhmmm, zitrone war drin und pfefferminze und honig und ich darf nicht durch die nase einatmen, nein, nicht übergeben, bloß nicht, ich muss mich zusammenreißen, ich darf nicht zittern, wenn ich zittere, merke ich, wie kalt das wasser ist, unbewegt liegen, auf die schritte warten, vielleicht kommen sie wieder, ich kann schon den eistee schmecken, pfirsich diesmal, mit ingwer, mhmmm, frische luft aus der klappe und das lied, das geht mir nicht aus dem kopf, diese worte, oh help me jesus, come through the storm, ja komm, herr jesus christ, komm durch den sturm, hol mich ab und bring mich heim, aber wie geht das lied weiter, through the storm, I had to lose her, to do her harm, i heard her holler, was ist holler denn für ein Wort, ja ich brülle auch, ganz laut, ich brülle, aber mich hört keiner, es ist niemand da, aber ich kann jemanden hören, ich kann sie hören, I heard her holler, I heard her moan, my lovely daughter, I took her home, wer wird mich heimbringen, heimbringen, wer wird mich erlösen, wenn ich laut schreie und brülle, herr jesus, komm und hol mich, sonst muss ich schreien!

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (2)

einatmen.
ausatmen.
einatmen.
ausatmen.

und – ein wenig wärme in den rechten kleinen zeh denken.
wärme.
rechter kleiner zeh.
einatmen.
wärme.
rechter kleiner zeh.
ausatmen.
einatmen.

es wirkt schon, es wirkt, ah, der rechte kleine zeh, ich spüre ihn wieder, aber bewegen kann ich ihn noch immer nicht, ich muss an mehr wärme denken.

mehr wärme.
rechter kleiner zeh.
mehr wärme.
rechter kleiner zeh.

MEHR WÄRME, VERDAMMT, IN DEN RECHTEN KLEINEN ZEH,
SOFORT!

pscht.
pscht!

nicht so laut denken.
sonst hör ich sie nicht, die schritte, wenn sie kommen, und dann erschreck ich mich so vor dem licht, viel zuviel licht kommt durch diese klappe, die klappe beschützt mich vor dem licht, dunkel ist besser, viel besser, dunkel beschützt mich und macht mich blind, ich will gar nicht sehen, was mich umgibt, alles grauenhaft, alles dreckig, alles kalt.

ruhig bleiben, tief einatmen, ausatmen.
vor mir selbst ekle ich mich, am meisten vor mir selbst, ja, aber ich ekle mich auch vor dem wasser, das wasser ist so kalt und so ekelhaft und so unglaublich kalt –
doch vor allem ist das wasser ekelhaft, nicht daran denken, bloß nicht daran denken, was ich mit dem wasser machen muss, ich kann nichts riechen, ich kann nichts riechen, ich muss

ausatmen.
dann kann ich nichts riechen.

nur ausatmen.

und einatmen,
durch den mund einatmen, nichts riechen.
und an etwas anderes denken.
an selbst gemachten eistee, vielleicht.

***

(weiter.lesen.)

bade.wanne. (1)

das wasser ist überall.
ebenso die dunkelheit.
und die kälte.

am schlimmsten aber ist die vollkommene orientierungslosigkeit, das völlige fehlen von gestern und heute.
an das kalte wasser habe ich mich schon gewöhnt, gezwungenermaßen, auch an das gefühl, meine haut wäre ein alter waschlappen, der sich langsam ablöst und zersetzt.

doch die ungewissheit, wann diese klappe wieder geöffnet wird, wann ich endlich den lichtstrahl wieder erkennen kann, der mich blendet, den ich aber versuche festzuhalten in meiner erinnerung – diese ungewissheit macht mich verrückt.

bloß nicht loslassen, halt es fest!
schreit mein herz, denn es kann eine kleine ewigkeit vergehen, bevor der lichtstrahl erneut hoffnung auf ein ende meiner qual macht.
hoffen, warten, sekunden zählen –
oder zähle ich schon stunden?
vielleicht tage?

manchmal zittere ich noch, aber nur ein wenig, denn zuviel zittern lässt das wasser wellen schlagen, ganz kleine nur, doch das geräusch der sich brechenden wellen hallt so lange nach, als wolle es nie wieder aufhören.

und die stille ist wichtig, die stille darf ich nicht durchbrechen, ich muss doch auf die schritte hören, ich darf sie nicht verpassen!
diese schritte, die kurzes licht bringen, auch kleine speisen, naschereien manchmal, und ganz selten einen schluck selbstgemachten eistee – und die dann wieder verhallen, bis ich sie nur noch in der erinnerung höre, während ich wieder versuche, das wasser, die kälte und die dunkelheit zu vergessen, und an schönere tage denke, an denen ich mir den eistee noch selber hatte einschenken können.

***

(weiter.lesen.)