alle dürfen so sein, wie sie wollen – nur ich nicht. (#kolumne)

wie oft hab ich diesen satz in den vergangenen jahren wohl gehört und gesagt?
unzählige male.
allein in der letzten woche sicher mehr als zehn mal – sowohl als auch.

und jetzt –
jetzt sitz ich hier in meinem garten, allein, nur ein glas minz.wasser steht neben mir, und ich überlege:
wieso eigentlich?
woher kommt es, dass so viele menschen andauernd das gefühl haben, dass meinungs.freiheit und das recht auf die eigene persönlichkeit immer nur für die anderen gilt, nie aber für sie selbst?

ein blick in soziale netz.werke aller art zeigt sehr gut, woher dieses gefühl kommt.
bei.spiele gefällig?
sehr gern.

ein klassiker aus meinem all.tag:
das allseits so un.beliebte gendern.
jemand schreibt einen text, möchte damit frauen und männer ansprechen, wählt aber rein männliche worte, und fragt mich ganz stolz nach meiner meinung. ich lese den text, lobe den ausdruck und den stil –
und merke an, dass es bei mir mit der geschlechts.umwandlung noch ein wenig dauern wird und ich mich daher über eine neutrale wort.wahl freuen würde.
ja, ich finde das wichtig.
ja, ich merke das immer an –
ich bin eben eine linkslinke gutmensch.emanze, die auch in der sprache gern sicht.bar sein möchte.
und das darf ich auch!
in den aller.meisten fällen kommt das jedoch nicht so gut an:
ich soll mich nicht so anstellen, was soll das denn, gendern macht einen text doch unlesbar, ob ich denn keine anderen hobbys habe, weil ich so verkrampft bin.
dass ich nach meiner meinung gefragt wurde, dass ich ehrlich war, dass es mir wichtig ist, frauen und männer auch und gerade in der sprache gleichzustellen, weil ich töchter habe und weil ich glaube, dass alle menschen gleich sind, und weil ich weiß, wie mächtig sprache ist –
interessiert nicht.
meinungs.freiheit gilt eben nur dann, wenn die andere meinung gerade in den eigenen kram passt.

oder nehmen wir das thema aussehen.
wie oft lese ich, wie sich jemand (meist öffentlich) darüber auslässt, wer sich warum was wann wie und wo anziehen soll, dass dickere menschen sich bitte verhüllen sollen, islamische frauen das aber keineswegs dürfen, dass ein burkini ebensowenig etwas im frei.bad verloren habe wie flipflops im museum –
und wehe, jemand trägt ein kleidungs.stück, das ein anderer un.schön findet …
dann geht’s ab.
es finden sich jedes mal dutzende menschen, die gerne kleidungs.vorschriften für ihrer meinung nach un.hübsche oder zu sexy gekleidete mit.menschen einführen möchten, es gäbe ja gesellschaftliche standards
meistens sind das aber genau jene leute, die sich darüber echauffieren, dass es in islamischen ländern solche vorschriften gibt.
was jetzt?
am spannendsten finde ich diese aussagen immer dann, wenn sie von menschen kommen, die nach eben jenen gesellschaftlichen standards, die sie verteidigen wollen, keineswegs als hübsch oder schlank gelten …
und kaum mischt man sich in die diskussion ein und verteidigt das freie kleidungs.recht für alle, muss man sich beschimpfen lassen, weil man ja keine ahnung habe und am besten nicht mit.reden soll.
meinungs.freiheit gilt eben nur dann, wenn es um die eigene meinung geht.

und dann gibt es situationen, in denen manch eine/r die welt nicht mehr versteht –
wenn man zum bei.spiel merkt, dass man mit all dem, was man gern macht, irgendwo an.eckt, wenn man merkt, dass man es eigentlich niemandem recht machen kann, dass es immer jemanden gibt, der blöd findet, was man sagt oder tut, wie man aussieht oder lacht, oder was einem wichtig ist …
und dass das immer genau die menschen sind, bei denen man sich fragt:
woher zum kuckuck nehmen diese menschen eigentlich ihr selbst.bewusstsein?
warum in aller welt glauben diese menschen, andere beurteilen zu dürfen und ihr urteil auch noch bei jeder sich bietenden situation kundzutun?
und wieso zum geier mach ich mir darüber überhaupt gedanken?

weil wir alle, tief in unserem herzen, geschätzt werden möchten.
als mensch.
für das, was wir tun. oder können. oder uns erträumen.
für all die kleinigkeiten, die uns aus.machen.
und all die anderen dinge, die unser aller leben so einzig.artig machen.

manchmal, wenn mir freund/innen erzählen, wie ihr tag so war und dass sie gern ein anderer mensch wären …
oder manchmal, wenn ich selber so tage habe, an denen ich am liebsten eine andere wäre …
dann setz ich mich auf meine yoga.matte und verbeuge mich vor mir selbst.
klingt komisch, ist aber so …
und ich weiß genau, wie manch eine/r auch darüber die nase rümpfen wird –
und dann bekrittelt, wie faltig mein bauch aussieht, wenn ich da auf der matte sitze und mich verbeuge.
vor sich selbst verbeugen, meine güte, ist sie jetzt esoterisch? das passt ja so gar nicht zu ihr, sie soll sich lieber um ihre familie kümmern.

das mache ich –
und zwar genau dann, wenn ich mich vor mir selbst verbeuge.
es ist manchmal nämlich verdammt hart, sich selbst so anzunehmen, wie man ist, und anderen mit einem lächeln zu begegnen.

aber eins hab ich mittlerweile gelernt:
je mehr man sich selbst annimmt, umso mehr kann man auch andere so annehmen, wie sie sind …
und manchmal rettet uns diese erkenntnis den tag, nicht wahr?

die hater mögen sich eigentlich selbst nicht so, wie sie sind –
klingt komisch?
ist aber so.

***

danke an all die lieben leute für den aus.tausch und die gedanken und das gegen.seitige den.rücken.stärken –
immer wieder gern!
<3

 

 

 

Werbung