österreich ist ein schönes land.
ein land der berge, ein land am strome –
ein land, in dem man wunderbare grammel.schmalz.brote essen, unglaublich guten schilcher.sturm trinken und im bier.zelt zu typisch österreichischer volks.musik schunkeln oder schuh.plattln kann.
herz, was willst du mehr?
zugegeben, ein döner.kebab ist schon auch lecker, ein besuch beim goldenen m sehr beliebt – und sowohl pizza als auch pasta sind aus der österreichischen küche längst nicht mehr wegzudenken.
allzu weit her ist es mit der typisch österreichischen hinterwäldlerischkeit also ohnehin nicht.
umso erstaunlicher ist es also, dass jene menschen, die aus kriegs.gebieten flüchten und in unser schönes land kommen, bei vielen einheimischen große ängste auslösen.
woran liegt das?
an der fremden religion? oder daran, dass diese menschen eine andere sprache sprechen, ein kopf.tuch tragen, dünklere haut haben?
wenn man mit den kleinen leuten spricht, hört man oft von der angst, dass die uns was wegnehmen, dass wir dann weniger haben, dass sie unsere traditionen und werte zerstören.
doch was steckt hinter diesen ängsten? nehmen uns die flüchtlinge wirklich etwas weg?
mir schon – ziemlich viel sogar.
platz, zum beispiel.
vor der so genannten flüchtlings.krise hatte ich massenhaft platz im keller, die regale waren teilweise sogar leer, fast ein wenig unheimlich – eine zombie.apokalypse hätten wir so bestimmt nicht überlebt.
jetzt ist mein keller voll bis unter die decke, überall stehen kisten voller kleidung, in den regalen stapeln sich boxen mit müsli.riegeln neben duschgels und einweg.rasierern. socken warten darauf, getragen zu werden, unter.wäsche haben wir mittlerweile in sämtlichen größen, außerdem könnten wir eine ganze krabbel.gruppe wochen.lang durchfüttern – und alles nur wegen der flüchtlinge, die mit nichts als dem, was sie am leibe tragen, in unser land kommen.
die flüchtenden nehmen mir also auch kleidung weg, jawohl!
zwar keine teuren marken.klamotten, sowas besitze ich nämlich nicht, aber meine gesamte winter.jacken.kollektion der letzten vierzehn jahre. ebenso sämtliche mützen, die ich nicht mehr tragen mag, weil ich neue habe, natürlich auch die meiner kinder, und nicht zu vergessen: die winter.stiefel! jedes jahr kaufe ich neue, obwohl die alten noch gut genug wären – die sind jetzt weg.
war ja klar.
was mir noch weggenommen wird?
ganz einfach: zeit!
ich habe viel weniger zeit für dinge wie herum.sitzen, nichts.tun oder fern.sehen. stattdessen wasche ich fremde wäsche, ordne das lager im keller, kümmere mich um neue sach.spenden, betreue ein privates spenden.konto und einen blog, um noch mehr menschen zu finden, die mit.helfen wollen, und spreche mit leuten, mit denen ich noch nie gesprochen habe. bis vor kurzem hatte ich so viel zeit fürs nichts.tun – und plötzlich ist mein leben ausgefüllt mit sinnvollen arbeiten und netten bekanntschaften.
fühlt sich komisch an.
auch meinen kindern haben jene flüchtenden menschen etwas weggenommen!
es ist wirklich ein skandal, sogar die kleinsten der kleinen müssen auf dinge verzichten – etwa auf die vielen kuschel.tiere, die wir schon drei.mal übersiedelt haben, und die dennoch ungeliebt und vergessen in einem dunklen sack ein trostloses dasein fristeten.
bis sie in einen großen korb gepackt und in den keller getragen wurden – wo sie jetzt darauf warten, von liebe.vollen syrischen kinderhänden gedrückt zu werden. oder auf die fünfte packung farb.stifte, die nicht einmal mehr in die stifte.box passte – damit zeichnen jetzt kinder, die wir nicht kennen, die aber freudestrahlend bilder voller regen.bogen und sonnen.strahlen zu papier bringen.
und natürlich wurden auch meinen kindern kleidungs.stücke weggenommen – etwa der schianzug aus dem vor.vor.jahr, die hose, die nur mehr bis zur wade reicht, und der schal, den wir bei einer tombola gewonnen und nie getragen haben.
das schlimmste aber ist, dass diese menschen mir freund/innen weggenommen haben!
ja, ehrlich! die zahl meiner freund/innen auf den diversen sozialen platt.formen hat sich drastisch verringert. all die lieben leutchen, die mir täglich so viel freude bereiteten mit ihren katzen.bildern und weisen sprüche, deren sinn sich mir ob mangelnder rechtschreib.kenntnisse nicht immer erschloss, all die status.meldungen, die gern mit den worten ich hab ja eh nichts gegen ausländer, aber … anfingen, und all die netten leute, die mich in geheime gruppen hinzufügten, deren sinn es ist, österreichs islamisierung zu verhindern und chemtrails mit in essig getränkten orgo.dingsbums zu bekämpfen –
sie sind weg!
die meisten ergriffen von sich aus die flucht – manche musste ich aber auch ein wenig anstupsen, damit sie davonliefen. mittlerweile ist es fast schon ein wenig einsam auf den weiten fluren meiner sozialen pinn.wände, und ich vermisse die täglichen netten plaudereien darüber, ob unser boot schon voll sei oder warum blau gegenüber rot oder grün zu bevorzugen ist.
vermutlich sind diese flüchtenden menschen auch schuld daran, dass ich nachrichten bekomme, in denen ich als links.linker gutmensch bezeichnet werde, in denen man mir pest und cholera an den hals wünscht und mich manche mit.menschen auf eine spezielle führung durch diverse duschen und kammern einladen – all das würde nie passieren, kämen keine fremden menschen in unser land.
außerdem hat die cousine eines bekannten der mutter einer freundin erzählt, dass wir am ende ausländer im eigenen land sein werden, dass jene kriegs.gebeutelten menschen unsere kultur, unsere traditionen zerstören, weil wir österreicher (ohne -innen) ja alle in bunter kleidung mit einem lächeln im gesicht durch die berge tanzen, wahl.weise in dirndl oder leder.hose, und gern in lächelnde, unverhüllte gesichter blicken.
dann haben mir diese menschen also sogar mein faible für schwarze kleidung und mützen weggenommen?
immerhin bin ich österreicherin, und als österreicherin muss ich natürlich unsere werte und traditionen bewahren – also weg mit den schwarzen klamotten, her mit unseren werten und traditionen.
doch was sind eigentlich unsere werte und traditionen?
eine kurze bild.recherche auf den face.book.auftritten jener politiker (auch hier ohne -innen), die sich besonders um unser wohl.ergehen und den fort.bestand unserer kultur sorgen, verschafft mir einen recht interessanten über.blick:
trinke viel wein und bier, am besten in einem bier.zelt oder einer schummrigen diskothek, halte immer dein glas in die höhe und grinse, was das gebiss hergibt, trage dabei unbedingt leder.hosen und trachten.jopperl, iss viel fleisch, am besten rechts.drehendes huhn vom grill oder schweins.braten aus dem ofen, nicht zu vergessen: geh ins bier.zelt, trag leder.hosen und schunkle im takt zum rainer.marsch.
das soll unser österreich sein? das sind die werte und traditionen, die in gefahr sind, wenn menschen aus fremden ländern in unser land kommen?
wer sorgt sich um all die wunderbaren schriftsteller (und -innen), die kunst.schaffenden, um jene, die wissenschaft betreiben, wundersame dinge erfinden, wer denkt an die menschen, die mit oder ohne blas.instrumenten musik machen, die in bier.zelten nie gespielt wird, oder an menschen wie mich, die mit dirndl und leder.hose recht wenig anfangen können und ihre frei.zeit selten bis nie im bier.zelt verbringen?
das bild unserer werte und traditionen, das ich jetzt vor meinem inneren auge habe, stammt eher aus längst vergangenen zeiten als aus einem österreich, dessen haupt.stadt bereits zum sechsten mal als stadt mit der höchsten lebensqualität weltweit ausgezeichnet wurde.
kann es sein?
nehmen uns die flüchtenden dieses verstaubte image hinterwäldlerischer schuhplattler weg?
ewig schad.
ruhet in frieden, ihr werte und traditionen aus vergangenen jahr.hunderten –
und seid will.kommen, ihre werte und traditionen, die unser aller leben verändern, bereichern und zu dem machen, worauf wir stolz sein können:
zu einem österreich, das platz für alle bietet, egal ob in leder.hose oder kaftan, ob im anzug oder mit hidschab.
und danke an alle, die mir jene dinge wegnehmen, die ich ohnehin nicht mehr brauche, und ihnen neues leben schenken –
was kann es schöneres geben?
***
das ist mein beitrag zu #mosaik16 – Zeitschrift für Literatur und Kultur, zu lesen auf seite 5 als leit.artikel.
danke –
so viel schnapp.atmung und herz.klopfen durfte ich schon lang nicht mehr erleben!