‚Ein einziger Satz: Als Sprung in einen mitreißenden Strom der Selbsterkundung, voll bissiger Anklage, unterbrochen von lyrischen Passagen, in denen hörbar wird, wie Sprache, Schrift und Körper sich gegenseitig prägen.‘
ganz genau das habe ich gesucht.
vor jahren habe ich mit einem freund darüber gescherzt, dass es ein buch geben müsste, das man in einem durch immer.fort lesen kann, einfach nach der letzten seite wieder von vorne beginnen – und es ergibt sinn!
vielleicht entdeckt man beim lesen sogar neue facetten der geschichte –
ach, was wäre das toll!
umgesetzt haben wir diese idee nie – aber auch nicht vergessen.
und dann entdeckte ich ‚EinSatz‚.
ohne auch nur mit der wimper zu zucken habe ich zugegriffen – genau darauf habe ich doch schon immer gewartet!
jetzt, auf seite 16020/83 (seiten.zahlen gibt es nicht, nur grad.angaben und einen kreis, dessen öffnung sich immer weiter verschiebt) ist meine euphorie nicht mehr so groß.
vielleicht, weil ich mir so viel mehr erwartet habe.
oder etwas vollkommen anderes.
es ist die anklage.schrift eines ichs – ob männlich oder weiblich, das ist anfangs schwer zu bestimmen.
geschichte gibt es keine, nur wirre gedanken, auf.schreie, innere monologe und völlig aus dem zusammenhang gerissene versuche, den auf.schrei in lyrische form zu pressen.
kein punkt, kein satz.ende ist zu finden, optisch entspricht ‚EinSatz‚ dem kreis.roman, der er sein soll –
faktisch aber ist der erste satz des buches ein leeres versprechen:
‚und es ist auch egal, wo du einsetzt, es ist egal, wann du einsetzt, es ist egal, wie und warum du einsetzt, denn sobald du dir diese Fragen stellst, bist du bereits mitten drin, (…)‘
ja, man kann nach der letzten seite wieder vorne weiter.lesen – aber irgendwo im buch zu beginnen oder einfach mal zehn seiten auszulassen, vielleicht sogar, wie im buch vorgeschlagen, eine seite herauszuschneiden und anders.wo einzusetzen, das klappt nicht. es ändert sich zwar nichts am auf.schrei, am inneren monolog, denn es passiert ja eigentlich nichts – die worte ergeben dann aber gar keinen sinn mehr, sind nichts als eine bloße aneinanderreihung von sätzen, die insgesamt kein ganzes ergeben.
das mag spannend und auch überaus literarisch sein – lesbar ist es jedenfalls nicht. dazu wurde der text zu wenig überarbeitet:
fehlende verben nehmen schachtel.sätzen jeden sinn, vergessene (oder auch falsch gesetzte) beistriche werfen die leser/innen unliebsam aus dem sog, in den sie stellenweise gezogen werden, und die vielleicht lustig gemeinten sätze in klammern, die leser/innen unterstellen, die grammatik des buches nicht zu verstehen, empfinde ich eher als affront denn als literarischen kunst.griff.
stellen.weise hatte ich den eindruck, niemand hat je das buch von vorne bis hinten durchgelesen, und dann vielleicht gleich noch.mal, dem kreis.lauf entsprechend – da müsste ein fehlendes verb doch auffallen.
zumindest das lektorat hätte es entdecken sollen – so es eines gab.
(laut impressum jedenfalls schon.)
besonders störend (und wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich eher kämpferin für die sprachliche sichtbarkeit der frau bin), besonders störend empfand ich das gendern:
‚(…) dir eine_n feste_n Partner_in zuzulegen, mit der_/dem du dann den Rest deines Lebens verbringst, (…)‘
gender.gegner/innen sprechen dem gegenderten ja jegliche lesbarkeit ab – hier muss ich dem sogar zustimmen. dies entspricht keiner der gängingen gender.formen, ist teil.weise sogar einfach falsch – und lesbar? nein, lesbar ist das nicht, auch nicht literarisch – vielleicht neu und mutig, das ja.
aber lesbar?
nein.
dabei gäbe es durchaus möglichkeiten, männlich und weiblich in einem satz zu verpacken, gerade in sätzen wie diesen, die ohnehin nur aufzählen und aneinanderreihen.
jetzt sitze ich hier an meinem schreib.tisch und bin verwirrt.
ist es denn nicht möglich, einen kreis.roman zu schreiben, der auch sinn macht? der nicht nur mit wichtig klingenden wort.hülsen auf.schreit, anklagt, sondern der auch eine echte geschichte zu bieten hat? mehr als die niederschmetternden gedanken einer frau, die mit wildem selbsthass und abgedroschenen klischees zu kämpfen hat, lieblos aneinander.gereiht und möglichst laut aufschreiend?
mehr als pseudo.emanzipatorische worte, als floskeln und aufzählungen?
es kommt nicht oft vor, dass ich ein buch nicht zu ende lese.
wahrlich nicht.
dafür bin ich zu neugierig, möchte dem buch eine chance geben, es könnte sich ja steigern, besser werden, auf dem weg zum großen finale!
auf das große finale brauche ich mich aber wohl nicht zu freuen – es gibt ja kein ende.
mutig schlage ich also weiter hinten eine seite auf, vielleicht ergibt sich hier ja etwas neues, ich möchte dem buch wirklich noch eine chance geben.
18720/83:
‚(…) ungewollten Berührungen, geröteten Augen, erhobenen Armen, Gebrülle, Parolen, Kampfgeschrei, Aggressivität, Frustration, (…)‘
und wieder:
nichts als aufzählungen, das aneinander.reihen von worten, die vielleicht einen sinn ergeben, vielleicht auch nicht.
ich werde es wohl nicht mehr herausfinden, fürchte ich.
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EinSatz
Caroline Günther
Open House Verlag
ISBN: 978-3-944122-01-4