die sache mit den schreib.tipps. (#kolumne)

gestern hatte ich eine angeregte, vielleicht sogar aufgeregte diskussion mit ein paar schreiberinnnen auf twitter.
angefangen hatte es damit, dass ich mich mal wieder wunderte, wie leicht jungen menschen, die ein wenig auf einer tastatur herumtippen, das wort autor/in über die lippen kommt. schon im nick.name findet sich da manchmal diese bezeichnung.
(interessanterweise nur bei vollkommen unbekannten schreiber/innen, kaum ein bekannter autor fügt dem eigenen namen diese bezeichnung hinzu – muss er eben auch nicht, das ist wohl der unterschied.)

jedenfalls konnte ich nicht umhin mich zu fragen:
wieso?
wie kommt jemand, der noch nichts veröffentlicht hat und gerade mal dabei ist, ein schreib.projekt zu verwirklichen, auf die idee, sich schrift.steller/in zu nennen? steht da nicht die eigene bescheidenheit im weg, der respekt vor den wahren könnern?

offenbar nicht.
denn auf meine (anfangs noch sehr nette) nachfrage kam recht schnell eine beleidigung.
also hab ich begonnen zu recherchieren – denn dieses thema nervt mich immer wieder einmal.

da gibt es eine junge frau, die schreib.tipps gibt –
obwohl sie nie etwas veröffentlicht hat, obwohl keiner weiß, ob sie überhaupt eine ahnung von der materie hat, von der sie spricht, obwohl sie keinerlei erfahrungswerte vorzuweisen hat. die sachen, die ich auf ihrem blog lesen kann, überzeugen mich jedenfalls nicht von ihren fähigkeiten.
es gab mal eine zeit, da kamen tipps von expert/innen, von menschen, die etwas besser konnten als andere – erwiesenermaßen, nicht eingebildeterweise. denn ein experte wird man nur, wenn man etwas kann – nicht wenn man sich einbildet, etwas zu können.
und auch nicht, wenn man gerade dabei ist, sich selbst etwas anzueignen – ein tipp soll anderen ja helfen. wie aber kann ich helfen, wenn ich selber keine ahnung habe?

in die diskussion schaltete sich dann eine weitere engagierte schreiberin ein – auch sie trägt das wort autorin im namen und verweist auf eine fanseite bei face.book. und instagram. und noch irgendwo.
(die man natürlich unbedingt braucht, ohne eigene fanseite ist man heutzutage quasi nackt, virtuell gesehen.)
natürlich dürfe man sich autor/in nennen, schrieb diese junge dame, wenn nicht gar schrift.steller/in.
(abgesehen davon, dass man das leider darf, ja, wenn es auch einfach falsch ist, würde ich persönlich es nicht tun, ich finde es den wahren schreibenden gegenüber unglaublich respektlos – nicht jeder einkaufszettel ist gleich ein werk, nicht jeder, der eine tastatur bedienen kann, gleich schrift.steller.)

eine kleine recherche offenbarte mir dann auch schnell das werk der engagierten jungen dame – inklusive einer schlechten rezension, die mich ungaublich traurig machte.
traurig, weil es nicht sein müsste.
traurig, weil solch vernichtende rezensionen das ergebnis maßloser selbst.überschätzung sind.
und traurig, weil auch diese dame offenbar schreib.tipps gibt.

*

Ihr wollt schreib.tipps?
dann lest Euch die folgenden punkte ganz genau durch, lernt sie auswendig und schreibt sie in Eurer poesie.album:

* bescheiden ist eine zier.
solange Ihr nicht den durchbruch als bekannte schreibende geschafft habt, seid Ihr höchstens hobby.autor/innen – aber keinesfalls schrift.steller/innen. das würde bedeuten, dass Ihr stilsicher literarisch hochwertige lektüre verfasst, schon ein wenig bekannt seid und vielleicht sogar von Eurem tun leben könnt. (das mit dem literarisch hochwertig ist eine nicht zu unterschätzende hürde.)
außerdem stellt Ihr Euch selbst auf eine stufe mit menschen wie w.s.maugham, ernest hemingway, jane austen.
ernsthaft? wo ist die bescheidenheit geblieben?
kein mensch würde sich arzt nennen, weil er pflaster aufkleben kann.
und keine frau der welt sagt, sie sei modedesignerin, nur weil sie schon mal einen knopf angenäht hat.
dass man gewisse berufs.bezeichnungen einfach so verwenden kann, ist eigentlich eine respekt.losigkeit den wahren meister/innen des fachs gegenüber.

* selbst.überschätzung zerstört angehende karrieren.
wer glaubt, sein werk sei nach dem ersten anlauf genial, brauche keine korrektur und schon gar kein lektorat, der irrt gewaltig. schreiben ist arbeit – und die meiste arbeit am schreiben ist nicht das erdenken und niederschreiben der geschichte, sondern das daran arbeiten im anschluss, das daran feilen, besser machen, kritik annehmen und nutzen daraus ziehen können.
ich etwa arbeite allein an einer kurz.geschichte manchmal mehrere monate, bis jede silbe so sitzt, wie ich es als perfekt empfinde – niemals würde ich ein unkorrigiertes, soeben vollendetes werk im nächsten atemzug veröffentlichen. manche lektorate für meine autor/innen gehen mehr als fünf mal hin und her – weil immer wieder etwas auftaucht, das besser werden könnte.

* schlechte kritik tut weh.
wer vorschnell veröffentlicht, bekommt schlechte kritiken. die leser/innen sind sehr kritisch, kein wunder bei der auswahl, die man heutzutage hat. es muss aber nicht unbedingt schlechte rezensionen hageln. zeigt Euer werk einem profi, nicht nur der mama – mamas neigen dazu, das schaffen ihrer kinder immer wunderbar zu finden. dasselbe gilt auch für beste freundinnen. investiert ein wenig geld in jemanden, der sein geld damit verdient, autor/innen zu unterstützen – sei es bei der fehlersuche, oder einfach nur, um die geschichte besser zu machen. denn jede geschichte kann verbessert werden – wenn man daran arbeitet. am besten aber nicht alleine: denn auch, wenn Ihr Euer werk einmal durchgelesen habt – das bringt leider nicht wirklich viel. unser gehirn blendet alle fehler aus, die wir selber machen, es weiß ja, was da stehen sollte. dasselbe gilt auch für logikfehler. es braucht dafür immer einen neutralen part, der nicht schon vorher weiß, was da stehen oder wie die geschichte verlaufen sollte.

* gut ding braucht weile.
wenn die letzte seite geschrieben ist, klappt den computer zu. denkt an etwas anderes. beginnt vielleicht ein neues projekt. wenn dann ein wenig zeit verstrichen ist, findet man oft schon selbst eine menge fehler, entdeckt lücken in der geschichte, kann daran weiterarbeiten. das soeben geschriebene sofort zu veröffentlichen ist zwar verlockend, aber mit sicherheit der falsche weg.
und bittet keine freund/innen um falsche rezensionen, auch wenn das schnell geht und einfach ist – eine ehrlich gemeinte gute kritik ist immer erfüllender als eine erfundene voller lob.

und zuletzt:
* bleibt am boden.
löscht hochtrabende berufsbezeichnungen aus Euren nick.names – kein großer schreiber hat das nötig, nur jemand, der sonst nichts vorzuweisen hat. steht zu dem, was Ihr seid: hobby.autor/innen, denen vielleicht eine großartige geschichte aus den fingern fließen wird. beginnt mit einer kurz.geschichte – das schreibt sich schneller und einfacher als ein zweitausend.seiten.epos. und vergesst Eure fan.seiten – wahres talent und tolle geschichten entdeckt die leserschaft auch ohne fan.seite.
und vergesst nicht Eure demut:
die demut vor denen, die wahrlich wunderbar schreiben und dennoch bescheiden bleiben.

denn eines ist sicher:
es ist weitaus angenehmer, bescheidenen hauptes lob anzunehmen, als mit hoch erhobenem kopf kritiken einzustecken.

und hört nicht auf, schreibt weiter, lasst Euren ideen freien lauf –
aber arbeitet daran! gebt Euren geschichten die nötige zeit zum reifen!

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© Denis Junker - Fotolia.com

© Denis Junker – Fotolia.com

 

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