roter regen | 29

das leise summen der kaffeemaschine.
das tropfen des kaffees.
der geruch von frisch aufgebrühtem kaffee.
der erste schluck, leicht bitter, mit einem hauch von kirsche und karamell.

ich versuchte, mich vom gesang im keller abzulenken, einen klaren kopf zu bewahren, nicht an das zu denken, was ich im begriff war zu tun.
alles in mir sträubte sich dagegen, erneut die schwelle zu übertreten, mich wieder einer (vermeintlichen?) erinnerung aus meiner kindheit auszuliefern –
und doch konnte ich der versuchung nicht widerstehen: ich musste herausfinden, was es mit diesem werden auf sich hatte.

also trank ich meinen kaffee aus, stellte die tasse in die spüle, atmete tief durch und begann damit, den camcorder mit einem gürtel an mir zu befestigen. die kopfhörer setzte ich nicht auf, ich wollte mich vollends auf das einlassen, was da kommen würde –
um endlich zu werden.

mit zittrigen knien und eis.kalten händen stieg ich die kellertreppe hinab. der gesang hinter der nur leicht angelehnten tür wurde immer lauter, hypnotischer, und als ich das tagebuch, das aufgeschlagen auf dem boden lag, in die hand nahm, schien die melodie trauriger zu werden, aber gleichzeitig auch noch lockender.
komm zu mir, komm doch endlich zu mir!

ich wollte nicht.
ich wollte nicht erneut durch diese tür treten, die schwelle überqueren, die mich dinge erinnern ließ, von denen ich nicht wusste, ob ich sie je wirklich erlebt hatte.
ich wollte danach nicht erwachen, fiebrig, verwirrt, nicht wissend, was eigentlich passiert war.

und doch war der sog stärker.

fast gegen meinen willen trugen mich meine beine zur tür, die wie immer in den letzten tagen leicht geöffnet war. als ich näher kam, sah ich einen lichtschein aus dem spalt dringen, ich hörte den betörenden elegischen gesang –
und ich hörte mein mutter rufen, wie aus weiter ferne.
komm doch endlich, was ist denn mit dir los? du bist jetzt schon ewig im wasser, langsam reicht es! raus mit dir!

(weiter.lesen.)